10.11.2023, 19:30 Uhr ST. CANISIUS KIRCHE BERLIN
Die musikalisch-literarische Veranstaltung ist der der Schließung des Befreiten Theaters Prag am 10. November 1938 der bedeutendsten antifaschistischen Szene Europas und ihren Aufführungen in der Zeit 1933 - 1939 gewidmet. Die Vorstellung stellt dem deutschen Publikum das Schaffen von Autoren Jiri Voskovec/Wachsmann, Jan Werich und des Komponisten Jaroslav Jezek vor. Auch wenn das Theaterverbot drohte, warnte Befreites Theater Prag weiter die Öffentlichkeit vor den Gefahren des Nazismus

Unter Leitung von Dusan-Robert Parisek, spielen, sprechen und musizieren
Oli Bott, Manfred Eisner, Susanne Eisenkolb, Antje Rietz, Ferdinand von Seebach
und das Collegium tschechischer Philharmoniker.
Eine Veranstaltung unter der Schirmherrschaft des Botschafters Tschechiens in Berlin S.E. Herrn PhDr. Tomas Kafka, mit der Unterstützung des Auswärtigen Amtes der Tschechischen Republik,
und des Deutsch-Tschechischen-Zukunftsfonds.

IRGENDWO eine Prag-Berlin-Festival-Veranstaltung

Die Einladung zur Veranstaltung „Irgendwo …“ verspricht - sehr bescheiden - eine „musikalisch-literarische Aufführung“, also nur einen musikalisch-literarischen Abend. So einen Abend bekommt der Zuschauer, und dazu in bester künstlerischer Qualität wie ein reguläres Theaterstück, überzeugend dargestellt. Dusan Robert Parisek verbindet unbekannte Gedichte und Lieder aus dem Ghetto Theresienstadt (es handelt sich um teils unbekannte, teils sehr bekannte Gedichte und Lieder populärer Komponisten und Literaten). Die Texte begleitet ein erklärender historischer Kommentar, der nie trocken wirkt. Dusan Robert Parisek verlässt sich darauf, dass das Publikum hin und wieder die populäre Melodie, oder den Autor des Liedtextes plötzlich erkennt - und so erstellt er mit Raffinesse das verschwundene Ghettobild mit all der Vielfältigkeit der Völker (die wir in Tschechien immer noch vergessen) für das Publikum. Dann tauchen wir nach und nach tief ein in die Geschichte, die vor uns entsteht, durch sehr klares und gefühlvolles Agieren von drei Protagonisten, die von einem kleinen Orchester begleitet werden. Sie alle gemeinsam, dank ihrer Musikalität, schaffen es die wunderbare Atmosphäre des Kabaretts zwischen zwei Weltkriegen eindrucksvoll entstehen zu lassen. Eine historisierende Sachlichkeit und einfühlsame Zurückhaltung der Aufführung vermittelt die Erinnerungen, die wir nie vergessen dürfen. Es ist ein pietätvoller Abend ohne die oft übliche Sentimentalität.

MgA doc. David Drozd Ph.D. Fakultätsleiter der Theaterwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Masaryk Universität in Brünn

 

Prag-Berlin-Festival-Veranstaltung „Befreites Theater Prag“
In den letzten vier Jahren hatte ich zweimal die Gelegenheit an der Atmosphäre und Bedeutung zweier außergewöhnlicher Abende teilzuhaben. Die erste Aufführung war „Europa ruft“, genannt nach einem Lied von Jaroslav Jezek, Jiri Wachsmann und Jan Werich. Der Abend war eine szenisch-musikalische Komposition, die an das Schaffen des Komponisten Jaroslav Jezek und den beiden Protagonisten des Befreiten Theaters Prag Jiri Voskovec/Wachsmann und Jan Werich erinnerte, die Gründer einer der bedeutendsten antifaschistischen Bühnen Europas. Die Lieder dieser Künstler sind uns in Tschechien bekannt, man konnte, wie man so sagt, manche auch rückwärts auswendig …
Für mich war es ein Erlebnis die Version der Lieder im Rahmen eines Gedenkabends zur Erinnerung an das Schicksal der verfolgten und zum Schweigen verurteilten Künstler in deutscher Sprache, gemeinsam mit dem deutschsprachigen Publikum, zu hören. Nicht nur die Einstudierung unter Mitwirkung von Künstlerinnen und Künstlern aus Berlin und dem Collegium tschechischer Philharmoniker aus Prag, von Dusan Robert Parisek, auch das historische Gebäude der Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin (1945 zerstört und zwischen 1959 und 1961 als Mahnmal restauriert) haben den Zuschauern eine beeindruckende und unvergessliche Atmosphäre geschaffen. Die Texte und Lieder von Voskovec/Wachsmann und Werich haben schon in den 30erJahren des vorigen Jahrhunderts eine Art Melancholie aber auch die Hoffnung vermittelt – umso mehr berührt das Publikum die Tragik der Schicksale, nicht nur der jüdischen Künstler, sondern überhaupt der Jüdischen Bevölkerung. Die einzige Gewissheit in dieser schwierigen Zeit ist die Vision, dass vielleicht am Horizont bald die Morgendämmerung naht …

Prag-Berlin Veranstaltung „IRGENDWO“ war ähnlich gedacht, ein inszenierter musikalischer Abend an dem Oli Bott, Susanne Eisenkolb, Manfred Eisner, Antje Rietz und das Collegium tschechischer Philharmoniker mitwirkten. Die Aufführung fand im Februar 2024 in einem vollbesetzten Kammersaal des Österreichischen Kulturforums in Prag statt. Nach dem ich die Prag-Berlin-Aufführung in der Gedächtniskirche in Berlin erlebte, hatte ich Bedenken, ob diese Räumlichkeiten für solche Abende in solcher Besetzung nicht zu klein sind. Meine Zweifel am Anfang haben sich schnell als unbegründet erwiesen. Es zeigte sich wie die unmittelbare Nähe uns Zuschauern die Texte, Lieder und Botschaften von Autoren, u. a. Fritz Grünbaum, Otto Stransky und Leo Straus, in all ihrer kraftvollen Stärke und Schwere ihrer Bedeutung emotional tief berührt haben. Dank dieses Abends, aufgeführt zur Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945, konnten sich die Zuschauer erinnern wie viele der außergewöhnlichen Persönlichkeiten und talentierten Schöpfer im Dritten Reich verfolgt und ermordet wurden. Dank dieser Werke, die unter der Leitung von Dusan Robert Parisek wieder zum Leben erweckt wurden und Dank der Interpretation, voller Enthusiasmus und Energie, aufgeführt durch die Protagonisten des Abends, können die Werke weiter Freude, Vergnügung und Emotionen hervorrufen.

Mgr. Iva Mikulová Ph.D.
Theaterwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Masaryk Universität in Brünn, Tschechische Akademie der Wissenschaft Prag Institut für Literaturforschung des 20. Jahrhundert